Radsport

Kopf siegt über Körper

von Frank Schwalbe

 

Dieser Redewendung sind wir alle schon einmal begegnet. Mir ist diese im Rahmen der Radsportgruppe um Rolf Baum immer präsenter geworden.

Während der Trainingseinheiten kristallisieren sich bei jedem Einzelnen der Sportfreunde die persönlichen Stärken heraus. Ob Radmarathon, Kurzsprint, Bergetappe oder einfach nur lange genug schnell fahren… 😉

Und dann heißt es in der zünftigen Trainingsauswertung: alles nur Kopfsache! Kann das sein? Kann der Kopf den Körper besiegen? Die These ist heiß. Sie fesselt mich.

Es gilt der Sache auf den Grund zu gehen…

Ich beschloss, das Wochenende 15./17.08. für eine weitere Langstreckenfahrt zu nutzen. Auf Grundlage der Touren zu Ostern (330 km um die Lausitz) und Ende Mai (400 km über den Erzgebirgskamm) fühlte ich mich entsprechend gut vorbereitet und peilte die 500 km-Marke an. Non-Stop.

 

 

 

So wurde nun eine geeignete Strecke gesucht. Im Sommer letzten Jahres hatte ich ja bereits Anlauf in Richtung Norden genommen. Aufgrund wiederholter technischer Defekte, verbunden mit fehlendem Werkstatt-Support zum Sonntag, endete die Fahrt bereits in der Sängerstadt Finsterwalde. 😠  

Als Zielort wurde Warnemünde auserkoren, der Weg dahin sollte irgendwie an Berlin vorbei gehen. Leipzig, Magdeburg und Schwerin werden in der Tourenplanung als markante Wegpunkte festgelegt.🤓   

Start war Freitag, 16 Uhr, der Computer zeigt 39°C, wohlgemerkt vorn am Lenker in der Sonne. Wind direkt von vorn.  „…das geht dann aber bestimmt bald weg“, funkt der Kopf an den Körper. Dieser gehorcht und liefert gute Leistung über Meißen nach Oschatz, wo aufgrund der hohen Temperaturen schon die erste unplanmäßige Präventivmaßnahme in Form einer kleinen Pause am Discounter ansteht.

Cool down & Wasser auffüllen im Netto. Das hat der Kopf gut für den Körper entschieden.

Weiter geht es. Km für Km. Wind von vorne. Hitze. Wurzen – Eilenburg – Dessau - Roßlau. Belastungsschmerzen kommen und gehen. Erste Bedenken über die Sinnhaftigkeit der Tour kommen auf. Der Körper meldet Leistungsbereitschaft.

 

Also weiter. Zerbst – Gommern - Magdeburg. Es ist kurz nach Mitternacht. An der nächsten Tankstelle gibt es aus dem Nachtschalter ein belegtes Brötchen und ne schööön kalte Coke. Lecker! Banane und Nussmischung hab ich noch dabei. Telefon und Computer dürfen freundlicherweise aufgeladen werden. Danke!  Während der umfassenden Energiezufuhr resümiert der Kopf: 210 km geschafft, es sind nur noch ca. 300. Bei dieser Erkenntnis beschließt der Körper spontan, sich in die Erholungsstarre zu begeben. 🤷‍😅 Rückenlage auf Betonpflaster für 20 min. Mir wird bewusst, dass mein Schlaf in den Vorbereitungen der Tour nicht ausreichend einbezogen wurde.

Weiter geht’s. Es ist dunkel und mittlerweile werden nur noch 17°C angezeigt. Der Wind steht konstant entgegen. „Sollte das nicht bestimmt bald vorbei gehen?“

Immerhin sind die Straßen komplett frei von Fahrzeugen und Menschen. Ein wunderbares Gefühl von Freiheit begleitet mich.

Nach weiteren gut 100 km erreiche ich die Brandenburgische Elbtalaue. Eingangs lacht mich von links die Spielwiese eines Jugendzentrums mit großer überdachter Sitzbank an. Es gab keine Frage. Fix rauf auf die Bank und Schlafen! Herrlich. Eine Stunde lang.

Und weiter!  Gut, dass der Zeitplan bereits in Magdeburg entsorgt wurde, dadurch entsteht Freiraum. 😂

Perleberg – Karstädt – Grabow - Ludwigslust. 400 km. Ein kleines Glücksgefühl kommt auf. Die persönliche Distanz-Bestmarke ist eingestellt. Trotzdem: der Kopf glüht, der Körper meldet Schmerzen und Ausfallerscheinungen in mehreren Regionen.

Naja, jetzt genießen „wir“  erstmal die große Pause. Beim Asia-Imbiss gibt es eine schöne große Portion Nudeln mit Hühnchen, ein Lübzer 0.0 und dazu noch kurze angenehme Gespräche mit interessierten Gästen.

Kurze Einschätzung der Lage: Es ist 13.30 Uhr. Die Entfernung nach Rostock beträgt ca. 130 km. Das ist machbar. Fahrtzeit ca. 5 Stunden. Eine Pause? Zwei Pausen? Den Zug nach Dresden am heutigen Tage noch zu erreichen, würde eine Leistung abverlangen, die ich zum jetzigen Stand nicht mehr erbringen kann. Ok, akzeptiert. Zwei Pausen!

Mit frischer Energie geht es weiter. Die Bewölkung hat sich mittlerweile aufgelöst. Die Sonnenstrahlen tun gut. Die Jacke verschwindet im Gepäck. Rauf aufs Rad. Autsch!! 🥴

Die Strecke führt nun durch ländliche Regionen, welche zunehmend durch typisch nördliche Architektur geprägt sind. Die Passage des Schweriner Seenland besticht unter anderem mit dem traumhaft schönen im Renaissancestil erbauten Schloss Schwerin und den vielen kleinen hübschen naturnahen Uferanlagen.

 

Wow, ein echtes Highlight! So auch schon die Innenstadt von Dessau, welche mit Architektur und ihrem romantischen Innenstadtflair in den Abendstunden begeistern konnte. Ach, bevor ich es vergesse, Fahrtrichtung aktuell in Richtung NNo, somit Wind nur noch seitlich entgegen. Fetzt!😂 Doch die Müdigkeit drängelt sich mittlerweile extrem auf. Schwierig mit der Konzentration. Seh- und Reaktionsvermögen sind nur noch eingeschränkt vorhanden. Das Kommen und Gehen der körperlichen Befindlichkeiten ist mittlerweile „normal“ geworden, die Beine rotieren beharrlich, die Arme halten fest die Spur.

Das hat der Körper gut gemacht!

Wer hat jetzt das Ruder in der Hand? Hm… 🤔

Die Kilometer spulen sich runter, die Straßen werden besser und es zeichnen sich am Horizont größere neuzeitliche Bauwerke ab. Das Ziel visuell erfasst zu haben gibt einen unglaublichen Motivationsschub. Entlang der klassischen Zufahrtswege nach Warnemünde, die ich bisher nur aus der Perspektive eines Autofahrers kannte, rollte ich mit einem riesengroßen Glücksgefühl auf den alten Strom zu. Mega!

 

 

DIE FAKTEN: 530 km / 2000 hm / 28 Std Reisezeit / Solo    Ziel erreicht! 🤓

 

Noch fix Nahrung für die Rückreise mit der Deutschen Bahn shoppen und jetzt gibt es nur noch Eines: Ausruuuuuhen… 🥱😴

Ja, das war sie, die Rennradtour von Coswig nach Warnemünde.

Und was ist nun mit dem Kopf und dem Körper? Also meinerseits ist Beides im Moment arg geschunden. Aber die Aufgabe ist ja, der These auf den Zahn zu fühlen.

Und so möchte ich resümieren, dass Kopf und Körper in unterschiedlichen Belastungsfällen immer besser zusammen fanden und dadurch dieses hochintensive Erlebnis ermöglichten.

- DANKESCHÖN! - …an alle, die mich unterstützen, insbesondere an die SV Elbland – Sonntagsrunde! ((💙🤍))

Ich hoffe, euch zumindest ein Stück weit mitgenommen zu haben. Gerne schreibt mir!

Mal kucken, wo die Reise hingeht… 😄

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