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Challange Roth - Ein Moment der absoluten Glückseligkeit

von Katrin Lindig

Ralf Dragon - Ein Moment der absoluten Glückseligkeit

Knapp zwei Wochen ist es nun her, dass ich mir einen lange gehegten Lebenstraum in Erfüllung bringen konnte. Ein Finish bei der Challenge in Roth.

Im Mai 2019 mit Sommergrippe auf der Couch liegend, bekam ich die Dokumentation „We are Triathletes“ auf einem großen Streamingportal vor die Linse. Roth, das fränkische Triathlon-Mekka. Der Funke war entfacht. Das unmöglich scheinende Ziel hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Ich möchte die Challenge Roth finishen. Irgendwann.

Den Triathlonsport betreibe ich nun schon ein paar Jährchen. 2016 als Zaungast beim Schlosstriathlon Moritzburg kam der Wunsch auf, so etwas auch mal zu versuchen. Ein Jahr später absolvierte ich in Hamburg meine erste olympische Distanz und ich wusste: das macht richtig Bock. Mehrere Wettkämpfe von Sprint- bis Mitteldistanz folgten aber die Langdistanz konnte ich mir lange nicht vorstellen.

Nun also Roth. Zwei Jahre wollte ich mir Zeit nehmen, 2021 an den Start gehen. Reduzierte meine Arbeitszeit, plante weit in die Zukunft. Dann kam die Pandemie, das Rennen 2020 wurde abgesagt. Den Slot für 2021 bekam ich, dann wurde das Rennen von Juli in den September verschoben, der Plan dementsprechend angepasst. Ende Juli dann die Verletzung. Knochmarködem im linken Wadenbein, Laufen unmöglich, ein Finish mehr als fraglich. Dann kam der Unfall. Am Tag der Abreise nach Roth bei der letzten Ausfahrt auf dem Zeitrad nahm mir eine Autofahrerin die Vorfahrt. Das Rad war hinüber, ich selber hatte sehr viel Glück. Der Traum vorbei, vorerst. Also: Blick nach vorn, gesund werden und nochmal von vorn.

2022 sah alles gut aus, bis 14 Tage vor dem Rennen. Dann kam der positive Covid-Test. Wieder aus. Wieder neu denken. Wieder nochmal. Aus zwei Jahren Vorbereitung wurden nun vier.

Nach einer quasi perfekten Vorbereitung (die trotzdem ihre Ups und Downs hatte) sollte es am 25.06. - meinem 36. Geburtstag - endlich soweit sein: ich stand an der Startlinie des größten Langdistanz-Triathlonspektakels der Welt.

07:30 Uhr erfolgte für mich der Startschuss. Auch wenn der Beginn etwas kabbelig war, fand ich meinen Rhythmus und die Entfernungsmarkierungen zogen an mir vorbei. Auch wenn 3,8km durchaus lang sind, wurde es nie schwer oder langwierig. Nach 01:11:40h kam ich daher weit über den Erwartungen relativ entspannt aus dem Wasser. Beim Ausstieg als Geburtstagskind vom Moderatorenteam vor Ort empfangen zu werden, war dabei ziemlich cool.

Ich ließ mir Zeit beim Wechsel. Und ich hatte Bock aufs Radfahren. So richtig. Kaum raus aus der Wechselzone hatte ich die Brücke über den Kanal hinter bereits hinter mich gebracht und wurde am Rothsee-Campingplatz von meiner Verlobten Frances, meinen Eltern, meiner Trainerin Manu und Co. lauthals empfangen und angefeuert. Herrlich!

Auch wenn die Radstrecke in Roth als schnell bezeichnet wird, beinhaltet sie doch einige Höhenmeter in ihrem Verlauf. Schnell sammelte ich einige Athleten ein aber an den kleinen Anstiegen sammelten sich die Leute. Regelkonform zu fahren war nicht immer einfach und möglich aber ich versuchte meinen geplanten Leistungskorridor zu behalten und fair zu fahren.

Nach rund 70km ging es auf einer langen Abfahrt wieder nach Hilpoltstein und nach einer 90-Grad-Kurve „stand“ er dann vor uns: der Solarer Berg. Ich kannte die Bilder bereits, auch als Zuschauer vor Ort. Aber nun selbst als Athlet endlich hier zu sein und von allen Seiten angefeuert zu werden war absolut verrückt und unvergesslich. Bilder, die man nie wieder vergisst.

Kurz danach ging es auf die zweite Runde und wieder standen meine „Fans“ parat, um mich lauthals auf eben diese zu schicken. Es wurde ruhiger auf der Radstrecke und ab Kilometer 120 rum auch zäher für mich. Die Leistung nahm etwas ab. Dazu kam ein kleines Problem bei meiner Verpflegung. Wie bei allen anderen Aspekten hatte ich im Vorhinein auch hier nichts dem Zufall überlassen - vermeintlich. Auf dem Rad war ich mit zwei Gelflaschen unterwegs - mit dem Produkt, welches auch vom Veranstalter gereicht wurde, sollte ich etwas verlieren. Bereits seit Monaten hatte ich die Produkte im Training und Wettkämpfen getestet und meinen Magen daran gewöhnt - vermeintlich. Die Geschmacksrichtung Espresso (und vermutlich deren Koffein) sollte mit acht aufgelösten Gels in knapp zweieinhalb Stunden Belastung meinem Magen nun aber doch nicht so gefallen. Zum Glück hatte ich mich hierbei für Flasche Nummer eins entschieden, setzte eine Kilometermarke zur Verpflegung aus und mein Magen beruhigte sich. Vorher wusste ich nicht, ob das Rennen heute ins Ziel bringe.

Nach 178,5km, ca. 1500hm und 05:13:55h rollte ich gut kaputt aber am oberen Ende möglicher eigener und vorheriger Hochrechnungen in die zweite Wechselzone. Auch wenn bereits bis hierhin die Organisation der Challenge tadellos war, sollte die Betreuung beim zweiten Wechsel wirklich beispiellos sein. Kaum vom Rad, wurde mir dies von einem Helfer abgenommen und sobald meine Startnummer erkenntlich war, wurde diese nach vorn weiter gerufen und noch vor dem Zelt winkte ein Helfer mit meinem Beutel. Hier sollte es aber nicht enden und im Zelt begrüßte mich eine weitere Helferin, die sich nun nur um mich kümmerte. Abgefahren.

Nun also ein Marathon. Nichts leichter als das, oder? Ich lief sehr sehr langsam an, um nicht direkt zu überpacen und auch erstmal darauf zu achten, was mein Rumpf und mein Rücken machen. Ein „paar“ Triathlons hab ich ja nun schon hinter mir aber ich war dennoch überrascht, dass dieses „Schneckentempo“ tatsächlich ein nicht zu langsames Grundlagentempo sein sollte. Der Rücken war spürbar aber ok und die Bauchmuskulatur meckerte nicht - so weit so gut. Auf dem Weg zum Kanal begegnete ich zunächst René, welcher mir schilderte, dass um die nächste Ecke Frances und fast alle anderen auf mich warteten. Das waren die Momente, die ich jetzt brauchte. Danke, danke euch allen fürs Anfeuern!

Dann ging es auf den Kanal, erst vier Kilometer in die eine Richtung, dann 10 in die andere und wieder 7 zurück in die Ausgangsrichtung. Alles gerade aus, alles ohne große Abwechslung. Mit der vermeintlich mentalen Schwierigkeit dieses langen Abschnittes hatte ich aber keine großen Schwierigkeiten. Ich hangelte mich von einem Verpflegungspunkt zum nächsten, von Kilometer zu Kilometer und schaute mir die anderen Athleten an, die mir entgegenkamen. An den - meisterlich organisierten - Verpflegungspunkten ging ich, um zu trinken und mich zu kühlen und das tat meinem Rücken auch merklich gut. Dieser ließ mich aber immer wieder lang genug bei gutem Grundlagentempo laufen bis ich ihm wieder die Pausen gönnte. Dank der, wie erwähnt, fabelhaften Organisation war Kühlung kein Thema und trotz 28 Grad sollte ich den kompletten Marathon nicht einmal schwitzen. Nach rund 20-25 Kilometern merkte ich, wie meine Beine und mein Körper merklich müde wurden. Aber auch nun ging auch das Stück durch Roth vorbei und ich war mir sicher: du wirst diese Langdistanz heute schaffen. Es wird nur noch etwas dauern. Und natürlich sollte mich nun nach 32km auch der folgende Weg nach Büchenbach und den Berg dort hinauf nicht mehr aufhalten. Langsam aber ohne Zweifel trabte ich den Berg hoch und lenkte mich - dieses Mal mit den Schildern zum anfeuern, welche am Wegesrand aufgestellt waren - gut ab. Auch der Rückweg runter wurde dann nicht viel schneller, da das stauchende Abwärts-Laufen meine Rumpfmuskulatur arg forderte. Aber es ging immer vorwärts, auch wenn ich nun seit dem Kanal auch ab und an zwischen den Verpflegungspunkten kurz ging. Aber es war okay!

Die letzten Kilometer durch Roth konnte ich dann bereits sehr genießen. Ich wusste, es ist so gut wie geschafft, nur noch hier um die Ecke, nur noch dort über den Platz, nur noch diese letzte Verpflegung. Nach 41km wagte ich das erste mal auf die Gesamtzeit meiner Uhr zu schauen und war mit einer Zeit von unter 11 Stunden einfach glücklich. Auch wenn Zeiten an diesem Tag zweitrangig waren, war dies ein bisschen wie ein heimlicher Wunsch gewesen, wenn alles passt.

Und es passte. Die letzten Meter im Zielkanal und im Stadion werde ich wohl nie vergessen. Ich nahm mir alle Zeit der Welt, ging weil ich es wollte, nicht, weil ich musste. Wollte diesen Moment einfach unendlich in die Länge ziehen. Vor der letzten Kehre empfingen mich dann auch Frances und meine Eltern. Ich weiß nicht, ob jemals stolzer auf mich selbst war wie in diesen Momenten. Dann kam der Zielbogen und nach 3 langen Jahren hatte ich es endlich geschafft.

Nach 10:53:02h hatte ich die Challenge Roth geschafft. Für mich ein Moment der puren Glückseligkeit.

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