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Die Mutter aller Marathonläufe

von Jan Göhler

Was macht ein Läufer im November in Deutschland? Er fliegt nach Athen und läuft Marathon, DEN Marathon.

490 v. Chr. soll der Bote Pheidippides von Marathon nach Athen gelaufen sein, wo er nach den Worten "Wir haben gesiegt" tot zusammenbrach. Dieses Schicksal blieb mir erspart, auch wenn der Strecke seinerzeit sogar noch ein paar Kilometer fehlten. Pheidippides nahm die kurze Route über das Gebirge. Erst 1921 wurde letztlich die heutige Distanz von 42,195km als offizielle Streckenlänge vom internationale Verband für Leichtathletik (IAAF) für einen Marathonlauf festgelegt.

Dreh- und Angelpunkt in Athen ist der Syntagma-Platz ("Platz der Verfassung"). Hier treffen sich die Hauptverkehrsadern. Das Panathenaic Stadium (Ziel des Marathons) ist fußläufig erreichbar. Die Marathon Expo findet im Tae Kwon Do Stadium (Palaio Faliro) statt, ist liebevoll organisiert und sehr gut per Nahverkehr erreichbar.

Man sollte darauf achten, die Morgenstunden zu nutzen, bei Überfüllung wird rigoros temporär der Einlass eingestellt, was je nach Andrang eine beträchliche Warteschlange zur Folge hat. Es gibt drei buchbare Pakete, die je nach Preis die Startgebühr, das schlichte aber hochwertige Marathon-Shirt und ein Ticket für die Athener Verkehrsbetriebe, nutzbar zwei Tage vor bis zwei Tage nach dem Marathon, enthalten.

Angeboten wird der eigentliche Marathon, zwei 5km Läufe, eine 10km Runde und ein 3km Lauf. Das Marathon-Teilnehmerlimit liegt bei sportlichen 18.500 Teilnehmern (inkl. Power Walkern), die am Tag des Marathon zwischen 5:30 und 6:45 mit Shuttle Bussen von 6 Abfahrtsstellen im Stadtgebiet Athens nach Marathon gefahren werden. Eine logistische Meisterleistung, die erstaunlich ruhig und zielstrebig absolviert wurde.

In Marathon angekommen hat man je nach gewähltem Bus mehr als ausreichend Zeit, die Atmosphäre aufzunehmen, sich umzuziehen und letzte "geschäftliche" Dinge zu erledigen. Gestartet wird in 12 Blöcken, der letzte Block ist den Power Walkern vorbehalten. 9:00 Uhr Ortszeit fiel der erste Startschuss. Das Zeitlimit von 8 Stunden gibt nahezu jedem Teilnehmer die Möglichkeit, das Ziel zu erreichen.

Auf der profilierten Strecke steht die Stimmung im Vordergrund. Ambitionen kann man zu Hause lassen, feiernde Dörfer wechseln sich mit ruhigen Passagen ab. Auch ein Tänzchen unterwegs ist durchaus möglich und hunderte Kinderhände wollen abgeklatscht werden.

Die ersten 10km verlaufen zurückhaltend flach, dann winken langgezogene Anstiege bis km 30. Wenn die Beine richtig schwer werden, geht es hinunter nach Athen. Die Stimmung in diesem Streckenabschnitt ist durchaus geeignet, das Letzte aus jedem Teilnehmer heraus zu holen.

Entgegen allem bisher Erlebten werden keine Trinkbecher an den Wasserstellen gereicht, eh man sich versieht hat man eine 0,5l Wasserflasche in der Hand. Eine beträchliche Menge Müll, die scheinbar mühelos bewältigt wird, aus meiner Sicht aber durchaus überdenkenswert erscheint.

Bei km 41 passiert jeder Teilnehmer eine 6m hohe Skulptur, den "Läufer" von Costas Varotsos. Eine beeindruckende Installation, die an dieser Stelle aus unzähligen Glasscheiben aufgeschichtet und verklebt wurde. Ursprünglicher Standort war der Omnia-Platz, die unmittelbare Nähe zur Metro setzte dem Läufer aber derart zu, dass die Offiziellen der Stadt dem "Läufer" vor dem "Hilton Athen" eine neue Heimat boten.

Eine von zwei Erkältungspausen unterbrochene Vorbereitung und fehlende lange Läufe ließen nur das Minimalziel zu: "ankommen". Nicht mehr, aber auch nicht weniger gelang letzten Endes mit einer Nettozeit von 04:34:51 Std.

Besonderer Dank gilt meinem Schatz. Sie bewieß nicht nur ein glückliches Händchen bei der Auswahl unserer Unterkunft im Zentrum Athens sondern wartet auch geduldig im Stadion, während ich unterwegs ein Zeitziel nach dem Anderen über Bord warf. Der Einlauf ins Stadion lässt die Qualen schnell vergessen und entschädigt für alle Entbehrungen. Dieser Marathon ist anders als andere, eben authentisch.

Sven Göhler

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