Abenteuer Kona 2012
von Ingo Mütze
von Katrin Jeschke:
Wieviele Seiten werde ich schreiben? Wie packt man seine Emotionen in Worte, so dass sie andere Menschen erreichen?
2011 war mein Sport-Jahr, mir gelang einfach alles. Die Quali in Wales war der krönenden Saisonabschluss und ich war so naiv zu glauben, das geht nun erstmal so weiter.
Sollte nicht so sein, 2012 lief schleppend und ich habe mir Druck aufgebaut wegen Hawaii. Wegen einer unangenehmen Verletzung auf dem Fußrücken war seit April ein Lauftraining über viele Wochen nicht machbar, aus Frust ließ ich das Schwimmen weitgehend sein, da ich das am wenigsten mag - grins.. Auf dem Rad war ich fleißig, wenn auch nicht wettkampfspezifisch unterwegs - die Länge sollte ich drauf haben. Wie aber wird mein Körper mit der Hitze zurechtkommen, Magen-Darm-Probleme hab ich auch so…
10 Tage vor dem Rennen schon auf der Insel zu sein, ist ein Privileg - so ist der Körper gut akklimatisiert, weil man noch bissel trainieren kann. Jetzt musste ich schwimmen und das lieb ich im Freiwasser eigentlich. Bloß dass es hier Wellen gab und ich mein Frühstück mehrfach an dir Fische verfütterte - aber irgendwie hab ich mich nach und nach daran gewöhnt.
Die Stimmung in der Woche vor dem Rennen ist was Besonderes, man trifft die Pro’s im Supermarkt und auf dem Ali’i Drive wird suizidal trainiert, dass man fast ein schlechtes Gewissen hat.
Nach und nach bauen Sponsoren und Marken ihre Stände auf und man könnte sich den ganzen Tag von Isogetränken, Muskelmilch und Riegeln ernähren..umsonst natürlich. Es gibt auch so Aktionen, wo man mal ein Shirt geschenkt bekommt oder auch gleich mal ein Profi seinen Namen draufschreibt. Auch eine nette Expo wird aufgebaut.
Morgens am Pier zum Schwimmen ist die Hölle los. Nur die Meeresschildkröten, die Hono, lassen sich nicht beeindrucken. Sie sind hier heilige Tiere und scheinen sich dessen auch bewusst zu sein.
Ich könnte noch stundenlang schreiben..Mensch Ironman Hawaii!!! Und ich mittendrin.
Das Rennen kam näher und nach dem Check-In am Vortag war es für mich endlich klar, was ich machen wollte. Beweisen muss ich hier nichts.. Ich wollte es wirklich mal genießen, hatte meine “Kampf-Gene” ohnehin irgendwie bissel verbraucht - es war hier meine 5. Langdistanz in 2 Jahren und drei Monaten neben einer ganzen Reihe anderer Wettkämpfe. Ob ich das schaffe umzusetzen?
Die Nacht lag noch über Kona, als sich am Pier 4:45 Uhr die ersten Athleten einfanden. Alles ging mit sehr großer Gelassenheit und Ruhe ab - hochprofessionell! Es ging zuerst zum Markieren, wo die Arme erst gereinigt und dann die Markierung mit der Startnummer regelrecht zelebriert wurde. Ich musste noch mal an einen Startbeutel - ging mit einer Helferin zum Glück gut. Bissel Smalltalk mit den Frauen um mich rum und schon wartete alles auf den Profistart - die hatten es gut, erst starteten mit lautem Kanonendonner 50 Männer, paar Minuten später 30 Frauen. Ich hatte mir eine Abfalltonne umgedreht, um raufzuklettern und hatte so den Überblick.
Die Schlange am Dixi ist wohl weltweiter Standard ;-)
Vor dem Schwimmen hatte ich Riesen-Respekt und nun ging es ins Wasser!!! Mein Herz fing an zu schlagen, 1980 Athleten mussten durch die schmale Treppe am Pier zum Start. Ich wollte nicht rechts am Pier schwimmen, weil es dort die meiste Prügel setzte, sondern mehr nach links, bis dahin waren aber erst mal gut 120m zu schwimmen. Die Bucht war voll mit Badekappen, ich suchte eine Frauenecke, wo man sich zulächelte (die hatten also auch so Schiss wie ich).
Ich bin dann einfach losgeschwommen, mit dem Start das hatte ich verpeilt - die Masse setze sich in Bewegung und ich betete, keine argen Schläge zu erhalten, was auch die ersten geschätzten 500 m gut klappte. Irgendwie bin ich aber zu schnell nach rechts gedrängt worden und war auf einmal mittendrin im Gemetzel. Von links und hinten kamen Schwimmer, nach rechts ging aber nichts, da waren die Boote - enge Sache!! Ich habe mich sehr defensiv verhalten, sozusagen den Heißspornen den Vortritt gelassen. Gelegentlich fand ich bissel Wasserschatten aber nie lange. Endlos schien es mir bis zum Wendepunkt. Heute war es wieder welliger aber Übelkeit blieb aus!! 47 Minuten an der Wende - oje das dauert.. Jetzt fing auch ein Bustier-Träger an zu scheuern, ich zog ihn kurzerhand unter die Achsel, ein Träger musste reichen. Normal ist der Rückweg langsamer wegen der Strömung. Ich hatte aber endlich Platz und wurde mutiger - bei 1:29h verließ ich das Wasser (hab zum Glück auch an den Träger gedacht!) und war sehr zufrieden mit der 2. Hälfte.
Während die meisten Athleten kaum die Duschen nutzten, reinigte ich mich gründlich vom Salz. Der Wechsel am Beutel ging gefühlt fix, war aber strategisch nicht klug, weil der Weg zum Rad weit war, die Armcooler hätte ich unterwegs anziehen können.
Aufs Rad und los, mit einem breiten Grinsen ging es es den unteren Abschnitt der Palani-Road hoch und dann eine Schleife Richtung Süden, die von vielen Zuschauern gesäumt war - jetzt wird’s bald ernst! Nach 15km Rumkurven geht es endlich auf den Highway und mit Rückenwind Richtung Hawi, wo die Wende ist. Mit jeder Minute nimmt der Wind mit steigender Temperatur zu - ein Vorteil für die Profis und die schnellen Schwimmer, die schon lange auf ihren Maschinen saßen. Ich war entspannt und neugierig, wie es sein wird.
Auf halber Strecke sah ich plötzlich Windwellen auf dem Meer und einer Eingebung folgernd griff ich hinter einem kleinen Hügel den Oberlenker - Hammerböe vorbei. Schöne Grüße vom Mumuku!! Es ging dann noch ein Stückchen so weiter, wurde aber erstmal ruhiger. Bald kamen die Profis, Marino mit Riesen-Vorsprung - bald dann auch die Pulks der schnellen Altersklassenathleten - Langeweile konnte keine aufkommen.
Die gereichten Radflaschen waren der Hit: Die Wasserflaschen waren dünnwandige Plastikflaschen mit einem Klappdeckel über der Tülle, die den Strahl ablenkte, wenn man sich nassmachen wollte, mit den Zähnen ging es auch nicht ab. Die Powerbar-Flaschen waren auch mit einem eigenwilligen Verschluss und es dauerte ewig, bis man den Inhalt in die Aeroflasche bekam - manchmal reichte man sie auch ganz ohne Deckel - da klebt die Sonnenbrille!! 30Km vor Hawi begann der Gegenwind rasant zuzunehmen, letztendlich ging es mit 15-20kmh vorwärts - mein schöner Schnitt!!! Hier habe ich gekämpft.
Nach der Wende kurz Rückenwind und eine Bergabpassage zum Ausruhen, da donnerte auch schon seitlich von hinten der Wind ins Rad und es nieselte. Nach einigen Minuten flog der Regen waagerecht über die Straße. Nee, ich halt mich hier lieber an der Bremse fest!!! Damit war ich nicht allein.
Nun also das ganze rückwärts, ein vorsichtiger Blick auf den Tacho: war trotzdem noch bei Schnitt 31, na also und das im Wohlfühltempo. Ich fühlte mich gut, Ernährung war zwar rechnerisch zu wenig, ich war aber auch nicht an der Leistungsgrenze und sehr gut gelaunt. Rechts das Meer, die Windwellen, der Mumuku - ich hatte alles im Griff, eine Stunde bis Kona..- dachte ich. Bei Km 150 fuhr ich wie gegen eine Wand - heftiger Gegenwind kostete mich über 20 Minuten auf den letzten 30km. Ich habe so aber in Ruhe einige Profis beim Marathon sehen können.
Bei km 175 wurde mir innerhalb von Sekunden schwindelig und explosionsartig entleerte sich mein Magen auf mein rechtes Bein - boha ekelig… Ich rollte sehr langsam weiter und trank bissel Wasser - zum Glück hatte ich noch genügend, um den meisten Dreck abzuspülen - Schlagartig war es wieder gut - ein Kona-Spuk eventuell?
Die ersten Schritte im Wechselgarten waren brutal, aber das kenn ich nun schon - ich war mental fit und wollte laufen. Ich hatte mich immer nass gemacht und Armcooler benutzt - ich wollte auch beim Lauf bei dieser Strategie bleiben. Im Wechselzelt fragt mich doch ernsthaft eine Helferin, ob sie mir ein Eiswasser-getränktes Handtuch über die Schulter hängen darf Juhu- ich war auf einer Wellness-Farm!!! Ich ließ mich kurz verwöhnen und beantwortete wieder die Frage, warum ich dieses große Loch in den Schuh geschnitten habe.. ;-)
Meine Beine fühlten sich großartig an und ich war nach 5km überzeugt, dass mir nichts mehr passieren kann. Seit ich in Kona bin (10 Tage), liegen ab Nachmittag Wolken über den Ali’i Drive, auf dem die ersten 16km zu laufen sind - nur nicht heute!!?? Ja es war heiß, aber ich kam klar, patschnass wie ich war. Das Eis in meinem Bustier rasselte bei jedem Schritt und ich nahm Eis in die Hände. Jetzt schrie mein Körper doch nach einem Dixi und was soll ich sagen: gerade das eine ersehnte war mit Kabelbinder verschlossen -Hä?? Ich versuchte einen Helfer zu finden, der das zerschneiden kann - langes Warten und Diskutieren folgten und letztendlich musste ich weiter, ...... nach knapp 2km die Erlösung!! Schon war der Ali’i Drive geschafft, mir ging es gut und ich überholte die Palani-Road bergan viele Läufer - dort wird oft gegangen. Ich hatte ordentlich Reserven und nun gab’s außerdem Cola. Der Highway zog sich nun aber endlos, gut dass die Schnelleren entgegenkamen, das vertrieb die Zeit. Manche waren komplett erledigt. Das gefürchtete Energylab hatte ich vorher schon abgelaufen und war innerlich vorbereitet. Man kann es im Kopf gut in drei Abschnitte teilen. Ab hier überholte ich viel Wanderer.
Als ich dann wieder auf dem Highway war, zog ich an - ich hatte das Gefühl zu fliegen. Noch 10km trennten mich vom Ziel - das Glück stieg in mir hoch und ich grinste vor mich hin - jetzt wurde mir bewusst, dass ich kein einziges Mal an diesem Tag zweifelte und mich zu guten Gedanken zwingen musste. Ich nahm mir jetzt die Zeit und ließ paar Dinge in meinem Kopf Revue passieren, voller Dankbarkeit und Freude.
Sicher mit sehr viel Glück hatte ich es geschafft, hier dabei zu sein - dafür hatte ich das Rennen für mich zelebriert. Ich dachte an meine Kinder, an meine Eltern und freute mich auf den Zieleinlauf. Ich war die letzten 11 km mit 4:45 min/km unterwegs, weder das Meer noch die Hitze noch der Wind konnten mir was anhaben, ich fühlte mich, als könnte ich ewig so weiterlaufen. Schon war ich auf der Palani-Road, es ging bergab. Ich klatschte ab, wen ich erwischen konnte, noch knapp 2km, die ich nutzte, um mich von anderen Athleten abzusetzen. Dann war ich im Zielkanal, hatte ihn für Sekunden für mich allein. Ich lief Zickzack um links und rechts die Leute abzuklatschen, war nur noch am Jubeln!
“You are an Ironman!” - Mike Reilly meint jetzt mich, nennt mehrfach meinen Namen ...und schon stürzen sich 2 Helferlein auf mich und heben mich von dannen :-)
Irgendwann glaubten sie mir, dass ich wirklich ok bin, versorgten mich noch mit einer Riesen-Medaille und dem Finisher-Beutel, erklärten mir, wo es was zu essen gibt und schon traf ich die anderen glücklichen Sachsen. Es gab Pizza und Schoko-Eis.
Das war ein richtig schöner Tag, der eigentlich an der Finishline um 24 Uhr mit den letzten Finishern (um die 80 Jahre alt) enden sollte. Ich jedoch kämpfte noch eine Stunde im Bad gegen eine völlig verfilzte Frisur - gut, dass ich noch Reserven hatte!!
Wiederholung???…….träum
Viele Grüße, Eure Katrin